Die Eyrathi
In einer Zeit, in der die Menschen das Flüstern der Natur längst überhört hatten, lag tief im Herzen eines uralten Waldes ein Geheimnis verborgen. Dort, wo das Licht nur schwach durch die dichten Blätter drang, lebte ein Volk, das seit Jahrhunderten in Vergessenheit geraten war: die Eyrathi.
Dieses indigene Volk hatte sich tief in die Wildnis zurückgezogen, als die ersten Menschen begannen, sich von der Natur zu entfernen. Über Jahrtausende hinweg bewahrten die Eyrathi das Wissen der Alten, hielten die Gesetze der Natur in Ehren und lebten im Einklang mit den Elementen. Ihre Geheimnisse waren in den Wurzeln der Bäume und im Flüstern des Windes verborgen, bewacht von den uralten Geistern, die das Land durchzogen. Doch tief im Herzen ihres Reiches, jenseits der Nebel und gut verborgen vor den unachtsamen Augen der Menschen, lag Geheimnis: ein Runenportal, von alter Magie durchdrungen, das älter war als die ältesten Erinnerungen der Menschen.
Das Erwachen des Portals
Dieses Portal befand sich im Eyrathiwald, einer anderen Dimension, in der die Zeit fast stillzustehen schien, in der die Wälder ewig grün und die Flüsse klar wie Kristall waren. Es war eine Welt, in der die uralten Werte, die die Menschen einst gekannt und dann vergessen hatten, lebendig blieben. Eine Welt, die den Eyrathi Schutz bot und gleichzeitig die Quelle ihrer Stärke war. Dieses Portal war ein Tor zu anderen Welten und auch zu anderen Zeiten.
Die Schöpfer des Portals wussten, dass die Menschheit eines Tages gezwungen sein würde, den Pfad zu den alten Werten erneut zu beschreiten, um sich nicht in Chaos und Gier zu verlieren.
Eine Prophezeiung besagte, dass sich in Zeiten grosser Not das Portal öffnen würde, damit die Hüterinnen den Menschen das verlorene Wissen zurückbringen könnten.
Die Jahrhunderte vergingen, und die Menschen bauten riesige Städte und Maschinen, die unermüdlich arbeiteten. Natur gab es nicht mehr viel und sie war nur den ganz Reichen vorbehalten. Die Menschen vergassen das heilende Wissen, lachten über die alten Legenden und drehten sich immer schneller im Rad ihrer eigenen zerstörerischen Schöpfung. Während immer mehr Bäume fielen und zusehends auch die Flüsse durch Gift verschmutzt wurden, schien es, dass die Menscheit sich Schritt für Schritt selber vernichtete, angetrieben von einer unersättlichen, materiellen Gier.
Doch in der anderen Welt der Eyrathi, tief im Wald, in einer Nacht, in der die Sterne heller als jemals zuvor über dem Land leuchteten, begann das Portal zu pulsieren. Es war ein langsames, rhythmisches Schimmern, als würde das Herz der Erde selbst schlagen. Die Wächter, die das Geheimnis des Portals bewahrten, spürten die Veränderung und wussten, dass der Zeitpunkt nun gekommen war und dass die Zeit des Wartens nun vorbei war!
Erya
Unter ihnen lebte Erya, eine junge Hüterin, die mit einem besonderen Gespür für die Magie des Landes geboren worden war. Seit ihrer Kindheit spürte sie das Rufen des Portals in ihren Träumen, ein leises, aber eindringliches Flüstern, das sie rief, ohne dass sie es verstand. Die Alten hatten sie darauf vorbereitet, dass eines Tages ihre Stunde schlagen würde. Jetzt war dieser Tag gekommen. Erya wurde zum Portal geführt, und als sie vor dem alten, von Runen bedeckten Stein stand, spürte sie die uralte Macht, die davon ausging. Die Wächter um sie herum begannen, die alten Gesänge anzustimmen, Melodien, die durch die Jahrtausende getragen worden waren, um diesen Moment zu begleiten. Das Portal leuchtete auf, und das Schimmern wurde zu einem strahlenden Licht, das den Wald erleuchtete, als wäre es Tag geworden.
„Erya“, sprach der älteste der Wächter (seine Stimme tief und voller Wissen), „die Zeit ist gekommen. Die Menschen haben den Weg verloren, doch es ist noch nicht zu spät. Du wirst als in ihre Welt gehen. Deine Aufgabe ist es, ihnen unsere Weisheit zu bringen und ihnen zu zeigen, wie sie wieder zu dem werden können, was sie einst waren, nämlich Kinder der Erde“.
Mit einem entschlossenen Nicken trat Erya vor. Ihr Herz klopfte, doch sie wusste, dass dies ihre Bestimmung war. Sie legte ihre Hand auf den kühlen Stein des Portals, und in dem Moment, in dem ihre Haut den Stein berührte, wurde sie von einem warmen, goldenen Licht umhüllt. Die Runen begannen zu leuchten, und das Portal öffnete sich vor ihr, ein Durchgang in eine Welt, die sie nie zuvor gesehen hatte. Erya trat hindurch und fand sich in einer Stadt wieder, die sie in ihren kühnsten Träumen nicht hätte erahnen können. Die Gebäude ragten hoch in den Himmel, aus Stahl und Glas, während die Strassen von Menschen gefüllt waren, die wie Ameisen durch das Labyrinth aus Beton und Asphalt eilten. Die Luft war schwer und voller Geräusche, die sie nicht kannte, und der Himmel war von einem Grau bedeckt. Doch unter all diesem Chaos spürte Erya auch die verborgene Schönheit der Welt. Sie konnte die alte Erde unter den Schichten des Betons spüren, die Kraft des Lebens, die selbst hier nicht völlig verschwunden war.
Es war eine Welt, die sie brauchte, auch wenn sie es selbst nicht wusste.
Erya begann ihre Mission, indem sie mit den Menschen sprach, ihre Geschichten erzählte und ihnen die alten Lieder der Eyrathi vorsang. Anfangs wurde sie ignoriert, viele lachten sie aus und hielten sie für eine Verrückte, denn auch ihre Kleidung war anders. Doch Erya blieb unbeirrt. Sie wusste, dass die Saat des Wissens Zeit brauchte, um zu keimen. Doch ihre magischen Gesänge konnten in einige Herzen, die noch nicht ganz verschlossen waren, eindringen und dort keimen.
Der Beginn eines neuen Zeitalters
Mit der Zeit wuchs eine kleine Bewegung heran, ein Kreis von Menschen, die die alten Werte der Eyrathi annahmen und begannen, sie in ihrem eigenen Leben umzusetzen. Sie lehrten einander Respekt, nicht nur gegenüber der Natur, sondern auch gegenüber ihren Mitmenschen. Sie begannen, Gemeinschaften zu bilden, in denen das Leben im Einklang mit der Natur und nicht gegen sie geführt wurde. Inmitten dieser aufkeimenden Bewegung traf Erya auf eine besondere Frau, deren Weisheit und Heilkunst selbst unter den Eyrathi einzigartig war. Es war Shania, eine Schamanin, die auch in den geheimen Künsten der Heilung ausgebildet worden war. Ihr Wissen um Kräuter, alte Rituale und die Heilkraft des Geistes war legendär. Es hiess, dass sie Wunden heilen konnte, die für andere unheilbar schienen, und Krankheiten vertreiben, die seit Jahrhunderten über die Menschen herrschten.
Erya wusste, dass Shanias Fähigkeiten genau das waren, was die Menschen dieser Welt brauchten und zusammen entschlossen sie sich, die alten Heiltechniken der Eyrathi zu den Menschen zu bringen. Shania sammelte seltene Kräuter, die sie in den vergessenen Winkeln der Natur fand, und begann, die Menschen zu unterrichten, wie sie diese Heilmittel nutzen konnten. Sie zeigte den Müttern, wie sie Wunden reinigen, Krankheiten heilen und den Körper stärken konnten mit der Kraft der Natur selbst.
Doch Shanias wahre Macht lag nicht nur in den Kräutern. Sie lehrte die Menschen auch, wie sie ihren Geist und ihren Körper in Einklang bringen konnten. Durch Meditation, Rituale und die Verbindung mit der Natur lehrte sie, wie man nicht nur den Körper, sondern auch den Geist heilt. Sie half den Menschen, ihre Ängste zu überwinden, innere Stärke zu finden und die Harmonie in sich selbst wiederherzustellen. Diejenigen, die von Shania lernten, waren erstaunt über die Ergebnisse. Chronische Leiden verschwanden, die sie jahrelang geplagt hatten, und die Menschen fanden neue Energie und Lebensfreude. Shanias Ruf verbreitete sich schnell und bald kamen Menschen von weit her, um von ihr zu lernen. Es entstand eine neue Art des Heilens. Eine Rückbesinnung auf die Weisheit der Natur, die tief in den Herzen der Menschen Wurzeln schlug.
Mit der Zeit wuchs diese Bewegung weiter, und Eryas und Shanias Lehren begannen, die Welt positiv zu verändern. Die Menschen begannen, wieder achtsamer zu werden!
Die einst kalten und sterilen Städte begannen sich zu wandeln, als die Bewohner Pflanzen und Bäume in ihre Lebensräume integrierten, als Symbol für die neu entdeckte Verbundenheit mit der Natur.
Jahre vergingen, und die Welt begann sich zu wandeln. Die Natur fand ihren stetig den Weg zurück in die Städte und die Flüsse wurden wieder klar. Erya und Shania wussten, dass ihre Aufgabe Früchte trug, aber dass die Reise noch lange nicht beendet war. Die Menschheit stand erst am Anfang eines neuen Zeitalters mit einem erwachten Bewusstsein für ganzheitliche Nachhaltigkeit. Mit einem letzten Blick auf die Welt der Menschen kehrten Erya und Shania durch das Portal zurück in ihre Welt.
Die Rückkehr der Hüterinnen
Als Erya und Shania das vertraute, Licht ihrer Heimat wieder umgab, spürten sie eine tiefe Zufriedenheit in ihren Herzen. Die Aufgabe, für die sie bestimmt waren, hatte einen Wandel in der Welt der Menschen eingeleitet, der möglicherweise über Generationen hinweg die Rückkehr zu den alten Werten und dem Respekt vor der Natur bedeuten würde. Doch ihre Reise hatte ihnen auch gezeigt, dass Veränderung ein langsamer, stetiger Prozess ist, der Geduld erfordert.
Zurück in ihrem Wald, standen sie vor dem Runenportal, das nun wieder in den Schlafmodus gefallen war. Sie wussten, dass es kein endgültiger Abschied war, sondern nur eine Art Pause, um neue Kräfte zu sammeln. Erya und Shania wussten nun, dass ihre Rolle nicht nur darin bestand, die Weisheit ihres Volkes zu bewahren, sondern auch darin, als Brücke zwischen den Welten zu dienen, immer bereit, erneut zu handeln, wenn die Zeit reif war.
Die Geister der Ahnen, die immer über das Land gewacht hatten, schienen mit ihnen zufrieden zu sein und die Sterne funkelten hell am Himmel, als die beiden Frauen schweigend zum Zentrum ihres Dorfes zurückkehrten.
Was können wir von dieser Erzählung lernen?
Die Bedeutung der Naturverbundenheit, die Weisheit der Alten bewahren, Veränderungen benötigen Geduld und Ausdauer, die Macht der Einheit und es gibt immer Hoffnung auf eine Veränderung.
Diese Erzählung erinnert, wie wichtig es ist, im Einklang mit der Natur zu leben und sie zu respektieren. Das Vergessen dieser Verbindung führt zu Zerstörung und Chaos, während das Wiederentdecken dieser Beziehung Heilung und Erneuerung bringt.
Die Geschichte zeigt, dass alte Weisheiten wertvoll sein können und in Zeiten der Not eine entscheidende Rolle spielen.
Eryas Mission, die Menschen zu verändern, verdeutlicht, dass tiefgreifende Veränderungen Zeit brauchen. Es ist ein langsamer Prozess, der Geduld und beständige Bemühungen erfordert, um echte, nachhaltige Veränderungen zu bewirken.
Die Zusammenarbeit von Erya und Shania zeigt, wie durch gemeinsames Handeln Veränderungen möglich werden. Es betont die Wichtigkeit der Gemeinschaft und des gemeinsamen Ziels, um positive Entwicklungen zu fördern.
Trotz der Dunkelheit und des Verfalls gibt es immer Hoffnung auf einen Neuanfang und dass selbst in Zeiten grösster Not ein Weg zur Heilung und zum Neubeginn gefunden werden kann, wenn man bereit ist, neue oder andere Wege zu gehen.
Herzlich,
Luna M. Sage
im August 2024
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